Volle Tanks leere Teller
Die Mähr vom umweltfreundlichen Biosprit. Das Mainzer Max-Planck-Institut fand bei seinen Versuchen heraus, dass Biodiesel aus Raps bis zu 1,7-mal schädlicher für das Klima ist als herkömmliches Benzin. Verantwortlich hierfür ist der Stickstoffdünger, der zum Teil als Lachgas in die Atmosphäre gelangt. Lachgas besitzt eine Treibhauswirkung, die um den Faktor 300 größer ist als die von Kohlendioxid. Die Herstellung von Stickstoffdünger verschlingt zudem Unmengen von Erdöl, von dem wir ja unabhängiger werden wollen.
Da die Ackerflächen nur einmal genutzt werden können, geht dies auch zwangsläufig auf Kosten der Nahrungsmittelproduktion. Steigt der Preis für Öl weltweit wieder an, steigt auch der Anreiz, Biosprit-Pflanzen vermehrt zu kultivieren.
Dies wiederum führt zu dazu, dass weniger Nahrungsmittel produziert werden können. Wir müssen uns also entscheiden, was uns wichtiger ist. Ein voller Teller oder ein voller Tank. Beides geht nicht.
Während sich viele in Europa und Amerika Sorgen machen, wie sie möglichst billig ihren Tank voll kriegen, kämpfen nahezu eine Milliarde Menschen auf der Welt darum, ihren Teller zu füllen, ihre Mägen zu stillen. Die Weltbank rechnet in einem Gutachten vor, wie stark der Biosprit die Preise für Getreide weltweit in die Höhe treibt. Dabei kommt eine erschreckende Zahl heraus. Von 40 Prozent ist die Rede. Zunächst wird dies vor allem die Völker armer Staaten treffen, doch nur vorerst. 100 Kilo Getreide werden benötigt, um 40 Liter Biosprit zu destillieren, oder eben 100 Brote zu backen. Eine Milliarde Menschen hungern schon.
Hochleistungszucht, die Rettung?
Es droht die genetische Armut. Von 10 000 Reissorten sind bereits 90% aus dem Anbau verschwunden. Beim Getreide ebenfalls, 90% der genetischen Vielfalt verschwunden. Übrig geblieben sind nur 15 Pflanzenarten, die heute die Welt ernähren. Diesem Aderlass bei unseren Nutzpflanzen steht auf der anderen Seite eine Konzentration auf wenige Hochleistungssorten gegenüber, die sich auf immer größeren Flächen ausbreiten.
Von weltweit 7000 Züchtungsunternehmen sind heute gerade noch 3 Großkonzerne übrig, die den Weltmarkt für Saatgut beherrschen. Mit dem Einzug dieser Hochleistungssorten wurden unzählige alte Sorten von den Äckern verdrängt. Diese gefährliche Konzentration von nur wenigen Sorten, weltweit angebaut, birgt für die Zukunft enorme Risiken und Abhängigkeiten. Zum einen wachsen diese Hochleistungssorten nur noch mit den dafür hergestellten Hochleistungsdüngern (die dazu gekauft werden müssen). Zum anderen weiß ja jeder Gärtner, dass Monokulturen (und dies weltweit) enorme Risiken bei sich ausbreitenden Krankheiten birgt. Noch haben diese drei Großkonzerne das im Griff, doch wir wissen ja aus der Vergangenheit, wie labil dieser Zustand ist. Wir erinnern uns noch an BSE, die Reiskrise vor zwei Jahren, Maisfäule, SARS, Aids oder die Blauzungenkrankheit.
SARS wäre im Jahre 2003 beinahe der GAU, der größte anzunehmende Unfall in unserer Nahrungsmittel produktion geworden. Auch beim Schweinegrippevirus hatten wir noch mal Glück, bisher. Die Gefahr solcher weltweiten Übergriffe wächst, weil sich die Tiere und Monokulturen durch die Zuchtauswahl genetisch immer ähnlicher werden und damit ähnliche Anfälligkeiten besitzen. Massentierhaltung auf engstem Raum begünstigt dies noch. Die Abfälle aus Massentierhaltung landen dann in der Umgebung, wo sie dann beispielsweise von Zugvögeln aufgenommen werden.
Alles Erreger, die den Sprung um die Welt nur schafften, auf Grund von Mastbetrieben, Monokulturen und immer mehr giftresistenten Nutzpflanzen. Die chemische Keule wird immer schärfer. Beispielsweise Antibiotika; kein probates Mittel, um schlechte Haltungsbedingungen, Managementfehler oder mangelhafte Hygienebedingungen zu kompensieren. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit kritisiert in seinem Bericht zur Lage an der Antibiotikafront eine Praxis, die noch immer in den Ställen der industriellen Landwirtschaft regiert. Im Zeitraum von 2003 auf 2005 sind die Verkaufszahlen von Antibiotika um mehr als 8 Prozent gestiegen und haben damit bis dato die Höchstmenge erreicht. Dazu kommt die Verarmung der Artenvielfalt; dies kommt einer Inzucht immer näher.
Milliarden „ausgespeist“
Viele Zeichen deuten heue darauf hin, dass das Versagen der „Organe“ unsere Welternährung gefährdet. Boden, Wasser, Klima, Artenvielfalt sind heute schon gestresst und drohen in Zukunft zu kollabieren. Gleichzeitig aber steigt die Nachfrage nach dem, was auf den Äckern der Welt wächst, durch mehr Menschen, mehr Fleisch und mehr Bioenergie. Angebot und Nachfrage schaukeln die Preise in Höhen, die sich Milliarden von Menschen schon heute nicht mehr leisten können. Sie werden „ausgespeist“. Irgendwann wird es Widerstand geben. Die Ernährungssicherheit wird zur Frage der globalen Sicherheit, zum Ausgangspunkt von Aufständen und zunehmenden Flüchtlingsströmen. Bereits heute erlebt Europa am Mittelmeer, was es heißt, wenn Menschen nichts mehr verlieren können außer ihr Leben. Wenn Afrika der Kontinent ist, der am härtesten von der Ernährungskrise betroffen sein wird, dann ist das, was sich heute auf Lampedusa, der Flüchtlingsinsel im Mittelmeer abspielt, nur ein fader Vorgeschmack auf das, was in den nächsten Jahrzehnten noch zu erwarten ist.
Also, auch in unserem Interesse sollten wir, wo immer es möglich ist, bedacht konsumieren und nicht jegliche industrielle Errungenschaft in der Nahrungsmittelproduktion feiern.
Wir Verbraucher können was tun
Die Politik hat vieles noch nicht erkannt oder ist den Einflüssen von Konzernen ausgesetzt. Jedes Jahr im November findet in Rom die Welternährungskonferenz statt. Und jedes Jahr kommt nichts dabei heraus. Erkannt ist, dass diese Art von industrieller Landwirtschaft mithilfe chemischer Keulen und der Abhängigkeit von wenigen Großkonzernen die Welternährung in eine gefährliche Ecke drängt. Die so notwendige althergebrachte Landwirtschaft in der Dritten Welt wird zerstört, um Absatzmärkte der USA und Europas abzusichern. Es ist dringend an der Zeit, der Ladwirtschaft in der Dritten Welt auf die Beine zu helfen. Nicht mit riesigen Traktoren, Höchstleistungs-Saatgut und Pestiziden, sondern mit einfachen und bezahlbaren Mitteln. Dies alles ist erkannt, doch Rom und Kopenhagen sind sich in einem sehr ähnlich; es kommt nichts dabei raus. Die Macht liegt beim Verbraucher. Bedachtes Einkaufen; sprich wo möglich Bevorzugung biologisch angebauter Nahrungsmittel und biologisch oder zumindest argerecht gehaltener Fleisch- und Milchprodukte. Biologisch angebaute Trauben aus Südafrika oder Bio-Rinderfleisch aus Argentinien; das ist damit nicht gemeint, denn Transport und Kühlung machen hier das Prädikat "BIO" zunichte. Die industrielle Landwirtschaft produziert einen nicht vertretbaren Überfluss, der zum einen der Umwelt schadet und dann noch auf unsere Kosten vernichtet werden muss, wenn der Preis nicht stimmt. Zudem wird damit der Hunger in der Dritten Welt noch gefördert. Weniger unbedachter Konsum, dafür mehr naturverträgliche Qualität.
Nur so können wir eine Umkehr bewirken und auf Dauer unsere Ernährung weltweit sichern.
meint Ferdinand Mütschele